Ein sechsjähriger Junge sah am Flussufer ein nasses Seil liegen. Er zog daran – und wenige Minuten später tauchte etwas Schreckliches aus dem Wasser auf.
Der Tag war warm und friedlich.
Die Jungen spielten am Ufer eines stillen Flusses. Sie ließen kleine Boote aus Baumrinde treiben, warfen Steine ins Wasser und lachten so laut, dass das Echo weit durch den Wald hallte.
Plötzlich bemerkte einer von ihnen – Ilja, der neugierigste der Gruppe – etwas Ungewöhnliches.
Im Sand, fast direkt am Wasser, lag ein dickes Seil. Ein Ende verschwand unter der trüben Wasseroberfläche, das andere lag am Ufer.
„Schaut mal!“, rief Ilja begeistert. „Vielleicht ist da ein Schatz dran!“
Doch seine Freunde wurden misstrauisch.
„Fass das lieber nicht an – vielleicht ist das nur Müll …“, meinte einer zögernd.
„Oder eine Falle!“, fügte ein anderer hinzu.
Trotz ihrer Warnungen konnte Ilja seine Neugier nicht bezwingen. Er beugte sich hinunter und griff nach dem Seil. Es war nass und kalt. Er zog – und spürte sofort Widerstand. Am anderen Ende schien etwas Schweres zu hängen.
„Ich ziehe!“, rief er, doch seine Freunde wichen bereits zurück. Einer lachte nervös, ein anderer wurde blass.
„Komm, wir hauen ab!“, schrie einer – und rannte los.
Nach wenigen Augenblicken war Ilja allein am Fluss. Sein Herz pochte heftig.
Er zog noch einmal, diesmal kräftiger. Das Seil bewegte sich langsam, als würde etwas Schweres über den Grund geschleift. Das Wasser begann zu wirbeln – und aus der Tiefe tauchte etwas Schreckliches auf.
Der Junge erstarrte, doch er ließ nicht los. Er zog weiter, bis er schließlich sah, was an der Oberfläche erschien.
Es war der Körper eines Mannes. Das Wasser rann über sein Gesicht, die Augen waren geschlossen, die Kleidung klebte an der Haut. Das Seil war um seine Taille gewickelt, und am Hals waren dunkle Spuren zu sehen.
Ilja schrie auf. Das Seil glitt aus seinen Händen, und er stolperte rückwärts, bevor er in Panik Richtung Dorf rannte. Tränen trübten seinen Blick, sein Atem raste, aber er blieb nicht stehen.
Als die Erwachsenen mit ihm zum Fluss zurückkehrten, hatte die Strömung den Körper bereits näher ans Ufer getrieben. Später stellte sich heraus, dass der Mann seit einer Woche als vermisst galt.
Und das Seil – genau dieses Seil – liegt noch immer am Ufer. Niemand wagt, es anzufassen. Es erinnert daran, dass Neugier manchmal eine furchtbare Wahrheit ans Licht bringen kann.
